Ausstellung Veronika Dobers „Hinterglasmalerei/Künstlerbücher“
Graphothek im Museum Weserburg, Bremen 13.10.- 20.11.1992
Was man nicht sieht
Was man nicht sieht: Die Weser und das Panorama der Altstadt hinter den Kellerfenstern.
Was man sieht: Drei bühnenartige Räume, in denen monumentale rote Äste in der Form eines Andreakreuzes, eines Gitters und einer Gabel vor undurchsichtigen “Fenstern“ schweben. Für das fast verloren klein wirkende, Schatten werfende Paar wird der Blick gleichsam auf die reale und die imaginäre Welt “verbarrikadiert“. Aus der Tiefe der virtuellen Räume, die von der Hinter-Glas-Malerie erzeigt werden, zieht sich ein roter Faden über die Fensterhöhlen und die Wände. Er vereint die vorhandene und die gedachte Architektur zu einem rythmisch gegliederten Panorama. Seine Linie formt sich vor den Fenstern zur schwungvollen Schrift des sophistischen Bildtitles und auf den Wänden zu einem hängenden Seil, auf dem jeweils zwei marionettenhafte Figuren eine Art Lebenstanz, der ernst und posenhaft zugleich erscheint, vollführen. „“Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein, Gebärden da gibt es vertrackte. Dann klippert´s und klappert´s mitunter hinein. Als schlüg man die Hölzlein im Takte.“ (Goethe)
Die Komposition, die Veronika Dobers an der Fensterwand der Bremer Graphothek geschaffen hat, ist ein ideenreiches “Lehr- und Kunststück“, das europäische Bildtraditionen wie das Fensterbild oder den “dance macabre“ aufnimmt und mit einer eigenständigen Ikonographie weiterführt. Besonders eindrucksvoll ist die Verbindung von Darstellungsform und inhaltlicher Aussage. Da in der Hinterglasmalerei der transparente Bildträger für den Betrachter sowohl Trennwand wie Fenster gegenüber der rückseitigen Malerei ist, entsteht eine Dimension von Distanz und Ambivalenz, die zum Ausgangspunkt der künstlerischen Überlegungen von Veronika Dobers wird. Ihre Themen und Sinnsprüche sind, analog zur Technik, unmittelbar “hinter-sinnig“. Zusammen mit der disziplinierten und von hoher psychischer Präsenz getragenen Zeichensprache reizen sie zu einer breiten Skala symbolischer Deutungen. Diese müssen nicht immer in die Tiefe loten, sie können auch einfach sein, denn die Aussagen sind eher von Humor als von einer moralisierenden Pädagogik getragen.
Der “Spiegel des Menschlichen“ wird bei Veronika Dobers zu einem befreienden Erlebnis.